Bei der Polizei NRW sind zwei verschiedene Drohnen-Größen im Einsatz. Für beide gibt es unterschiedliche Lehrgänge.
Fahndung im Höhenflug
Hoch und schnell – immer mehr Straftaten werden durch den Einsatz von Drohnen aufgeklärt. Verbrecher auf der Flucht haben wenig Chancen.
Streife-Redaktion

Der Wind hat leicht aufgefrischt, die Sonne verschwindet immer wieder hinter den Wolken. Beides muss Daniela Stiens im Blick haben. Vier Tage zuvor hatte sie noch nie eine Drohne in der Hand gehalten, geschweige denn gesteuert. Nun manövriert die 45-Jährige das Fluggerät in Richtung eines rund 100 Meter entfernt stehenden Fahrzeugs. Gekonnt stoppt sie kurz vor der Motorhaube ab und nimmt den Verdächtigen dank der mitfliegenden Kamera ins Visier. Auf dem Bildschirm ihrer Fernbedienung ist das Bild noch etwas undeutlich. „Achte auf den Zoom, versuche die dunkle Spiegelung an der Scheibe zu vermeiden“, rät Jürgen Keuter (47). Nach den Tipps des Drohnen-Ausbilders wird das Bild auf dem Smart Controller prompt besser.

So wie die Kriminalhauptkommissarin, die bei der KTU Bochum arbeitet, wurden im Trainingszentrum Rheindahlen bei Mönchengladbach in den vergangenen zweieinhalb Jahren bereits rund 230 Polizeibeamtinnen und -beamte sowie Regierungsbeschäftigte aus ganz NRW zu sogenannten „Fernpilotinnen und -piloten für Drohnen“ ausgebildet. „Drohnen sind unter anderem wichtig beim Verfolgen von Tätern, bei der Aufnahme von Verkehrsunfällen oder bei der Suche nach Vermissten“, unterstreicht NRW-Innenminister Herbert Reul. „Das Fliegen damit will jedoch gelernt sein, denn der Qualitätsanspruch an die Fernpilotinnen und -piloten etwa bei der Tatortvermessung, bei der Bereitschaftspolizei oder bei den Verkehrsunfallaufnahme-Teams ist hoch.“ Drohnen werden bei der Polizei NRW im Übrigen immer von zwei Personen geflogen. Das Duo besteht aus der Pilotin oder dem Piloten und einem „Luftraumbeobachter“. Da die Rollen stets wechseln, müssen natürlich beide die Ausbildung absolvieren.

Aus insgesamt vier verschiedenen Organisationseinheiten stammen die Polizistinnen und Polizisten sowie die Regierungsbeschäftigten, die in Mönchengladbach ihre Drohnen-Ausbildung absolvieren: Kriminaltechnische Untersuchung, Bereitschaftspolizei, Verkehrsunfallaufnahme sowie die Sachrate Tatortvermessung und -visualisierung des LKA NRW. Pro Jahr werden mehr als 40 Lehrgänge durchgeführt, die sich zwischen Grundlagenlehrgang (kleine Drohne) und Unterschiedslehrgang (große Drohne) unterscheiden. Vier hauptamtliche sowie rund 20 nebenamtliche Ausbilderinnen und Ausbilder sind im Einsatz. Der Bedarf ist weiterhin da: Das Innenministerium rechnet für die Zukunft mit 122 aktiven Drohnen in NRW und rund 450 Personen, die sie steuern können.

„Im Grundlagenlehrgang konzentrieren wir uns auf eine nachhaltige fliegerische Ausbildung. Damit schaffen wir das Grundgerüst für den praktischen Einsatz der Drohnen in den verschiedenen Einsatzlagen, die sich der Polizei Tag für Tag stellen“, unterstreicht Stephan Giesel. Der Lehrgangsleiter Drohne beim Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten (LAFP) der Polizei NRW ist überzeugt: Drohnen und der mit ihnen ermöglichte Blick aus der Vogelperspektive erleichtern nicht nur die Arbeit der Beamtinnen und Beamten sowie der Regierungsbeschäftigten. „Dauerte die Aufnahme eines schweren Verkehrsunfalls mit entsprechender Sperrung der Fahrbahn früher nicht selten fünf, sechs Stunden, ist dies dank der Hightech-Fluggeräte mittlerweile in der Hälfte der Zeit zu schaffen.“

Auch Sabrina Boblist brachte keine „Vorkenntnisse von der Playstation“ mit, bevor die LKA-Beamtin ihre erste Drohnen-Fortbildung im Jahr 2021 startete. „Das war eine gesunde Herausforderung und gleichzeitig ein sehr abwechslungsreich gestalteter Lehrgang“, erinnert sich die Leiterin des Sachgebiets 54.2, das sich unter anderem um Tatortvermessung und -visualisierung beim Landeskriminalamt NRW kümmert. Vor allem der enge Kontakt zu den Trainerinnen und Trainern, die jeweils zwei Drohnen-Anfänger begleiten, war nach den Worten der 43-Jährigen sehr hilfreich auf dem Weg, die anfangs doch recht fremde Technik zu beherrschen. Boblist, die 2022 noch eine weitere Schulung an der großen Drohne absolvierte: „Durch die professionellen Übungen klappte es überraschend schnell mit Gieren, Rollen und Co.“ (Kleines Drohnen-Lexikon: Beim Gieren dreht sich die Drohne um die eigene Achse, beim Rollen bewegt sie sich auf der Vertikalachse seitwärts.)

Konkret besteht der insgesamt fünftägige Lehrgang, der mit einer Abschlussprüfung endet, aus einem theoretischen und einem praktischen Teil. Schon am Nachmittag des ersten Tages steht für die jeweils acht „Azubis“ nach einigen Fingerübungen am Simulator mit dem Punkt „Basisflugmanöver auf Sicht/Indoor“ der Jungfernflug an. Darauf folgen in den kommenden Tagen unter anderem Flugtraining außerhalb der Sicht, das Ganze unter erschwerten Bedingungen (ohne technische Hilfsmittel wie Stabilisierungssensoren, Kompass, GPS und Co.) sowie Aufklärungsflüge in Gebäuden oder dunklen Garagen. Hier kommt dann auch modulares Zubehör wie Scheinwerfer oder Lautsprecher zum Einsatz. Alle Flugübungen finden in einer Art „Geisterstadt“ auf dem ehemaligen Nato-Gelände neben dem Trainingszentrum statt.

Sabrina Boblist hat nach eigenen Worten in der Drohnen-Schulung das Handwerk des Fliegens gelernt. In der Praxis verbinden sie sowie ihre Kolleginnen und Kollegen beim LKA dieses Know-how mit neuster Technik zur dreidimensionalen Dokumentation von Tatorten – Stichwort Photogrammetrie: Früher mussten aus einem Hubschrauber heraus händisch viele Fotos gemacht werden, um daraus ein 3D-Gesamtbild zu erstellen. „Heute übernimmt das die Drohne und ermöglicht uns zum Beispiel Einsätze in einsturzgefährdeten Bereichen, in die kein Heli oder Mensch kommt.“

Das Drohnen-Programm hat seit dem Start in vielerlei Richtung an Höhe gewonnen. „Die Lehrgänge sind kein statischer Prozess, die Inhalte sehen heute teilweise anders aus als zum Start der Pilotphase 2020“, weiß Dennis Sakowsky, Fachkoordinator für Aus- und Fortbildung der Drohnen-Piloten im Kompetenzzentrum Drohnen, das bei der Polizeifliegerstaffel in Düsseldorf angesiedelt ist. Dieser Umstand hat zu einem Teil mit dem Feedback der Absolventinnen und Absolventen zu tun. Entscheidend sind ebenfalls die Veränderungen (sprich: der technische Fortschritt) der Fluggeräte. „Zu Beginn erfolgte die Ausbildung in Sachen große Drohnen zum Beispiel noch am Modell Matrice M210. Mittlerweile haben wir die M300 im Einsatz“, erläutert Ausbildungs-Chef Stephan Giesel. „Sie bringt nicht nur eine doppelte Akkulaufzeit mit. Sie bietet auch eine Thermalkamera, mit der sich neue Einsatzmöglichkeiten ergeben, die natürlich trainiert werden müssen.“

Zurück zu Daniela Stiens. Die Beamtin hat den Fahrer mittlerweile gut im Blick. Mithilfe der Lautsprecher-Funktion an der Drohne fordert sie ihn auf, langsam den Wagen zu verlassen. Anfangs folgt der Verdächtige ihren Anweisungen. Dann nimmt er die Beine in die Hand. Daniela Stiens nimmt die Verfolgung auf, locker bedient sie die Regler, ihre Drohne gewinnt an Höhe und an Geschwindigkeit. Daniela Stiens hat alles im Blick, der Flüchtende keine Chance.

In dringenden Fällen: Polizeinotruf 110