Im Sommer lief Sarah Drees den Mud Masters Marathon im Niederländischen Haarlemmermeer. Läuferisch sowieso schon eine echte Herausforderung, stehen hier auf den 42,195 Kilometern zusätzlich alle paar Meter Hindernisse im Weg. Schlamm und Geröll auf den Trails runden das Streckenprofil ab. Sarah kam als Zweitplatzierte ins Ziel. Sie ist es gewohnt, auf dem Siegertreppchen zu stehen. Allein im vergangenen Jahr schaffte sie es acht Mal auf Platz 1. Ihr größter Erfolg? Der dritte Platz beim 12-Stunden-Hindernisrennen „Europe’s Toughest Mudder“ in England.
Doch was macht den Reiz eines solchen Wettkampfs aus? Wie bereitet man sich auf diese Herausforderungen vor? Sind zu Hause überall Klettergriffe an der Zimmerdecke montiert oder ist der eigene Garten mit Klettergerüsten zugebaut? Ein Blick in Drees’ Wohnung in Unna überrascht. Versteckt hinter dem Sofa steht ein drei Meter langes Balancierband, gehangelt wird an der Wendeltreppe und an der Klimmzugstange in der Zimmertür. Alles unter dem wachsamen Blick des einäugigen Katers Azrael. Ein Fahrrad und ein paar Gewichte lehnen an der Wand. Das war es auch schon.
Ihr tägliches Training nimmt zwei bis drei Stunden in Anspruch – so ganz neben der Arbeit im Wach- und Wechseldienst bei der Autobahnpolizei in Kamen. Sarah ist für ihren Sport weder freigestellt noch wird sie finanziell gefördert. Ihre Urlaubstage verplant sie, um an Wettkämpfen teilzunehmen: das eine Wochenende auf Mallorca, das darauffolgende in München. „Andere liegen im Urlaub am Strand und ich mache eben Hindernisrennen“, sagt Drees achselzuckend. Die Wettkampftaktung ist enorm: 27 Wettkämpfe waren es allein 2019, im Folgejahr 13 und zuletzt 14, da coronabedingt so viel abgesagt wurde. „Ich bin sehr dankbar, dass mich meine Dienstgruppe bei der Urlaubsplanung so gut es geht unterstützt, damit ich zu den Wettkämpfen fahren kann“, freut sich Drees. Und da hat sie schon einiges von der Welt gesehen: Holland, Frankreich, England, Spanien und die USA. Letztes Jahr hätte sie noch mal über den Atlantik zum 24-Stunden-Spartan-Race fliegen können – Corona hat’s verhindert. Dieses Jahr will sie die Qualifikation noch mal angehen.
Dafür trainiert sie unaufhörlich, sogar beim Spaziergang mit ihrer Mutter. Vor wenigen Wochen waren sie sechs Kilometer unterwegs – Sarah Drees mit einem 15 Kilo schweren Ball in den Armen. „Da schaut manch einer schon mal irritiert“, das wundert sie aber nicht. Manchmal wuchtet sie auch ihren selbst gebastelten Sandsack auf die Schultern und joggt damit durch die Uelzener Heide. Ihre Trainingspläne stellt sie selbst auf und trainiert meistens allein. Aber erst wenn es in einen Wettkampf geht, erfährt die Polizistin unendliche Glücksgefühle. Dann, wenn ihr ganzer Körper schmerzt und sie ans Aufgeben denkt und es doch irgendwie schafft, diese Grenzen zu überschreiten. „Mir ist schon bewusst, wie gut ich meine Fähigkeiten einsetzen kann – sowohl körperlich als auch mental.“
Die Leidenschaft für die Obstacle Course Racings – kurz OCR – entstand erst, als eine Freundin sie 2011 zum Fisherman Strongman Run an den Nürburgring mitnahm. Da hat es „Klick“ gemacht. Zehn Jahre später wurde sie nun zweimal für ihre Erfolge geehrt: im Oktober bei der Polizeisportlerehrung NRW in der Alten Schlossfabrik in Solingen. Außerdem gewann sie in der Kategorie „Sportlerin ohne Förderung“ bei der Polizeisportlerehrung des Deutschen Polizeisportkuratoriums (DPSK) im November in Stuttgart.
Inzwischen hat schon RTL angeklopft, um sie für die Show „Ninja Warrior Germany“ anzuwerben. Dabei müssen Top-Athleten ihre Kraft und Ausdauer unter Beweis stellen, um einen anspruchsvollen Hindernisparcours zu überwinden. Und, macht sie mit? „Erst mal nicht, ich muss noch an meiner Griffkraft feilen.“ Bei dem Trainingseifer ist das wohl nur eine Frage der Zeit, wann sie zusagt.